Wo die Türen
offen stehen und alle Schüler im Internet arbeiten können ...
Eindrücke von 2
Wochen Schulbesuch in einer amerikanischen High School -
Besseres Lehrer-Schüler-Verhältnis
Fast zwei Wochen konnte ich zusammen mit einer Gruppe von 13
weiteren Schülerinnen und Schülern im Rahmen des GAPP- (German
American Partnership) Programms unsere Partnerschule in den USA
besuchen. Schon Wochen vorher hatte ich mir meine Fächer für die
Zeit an der Marquette University High School, einer college prep all
boys high school in downtown Milwaukee, aussuchen können. Ich wählte
die Fächer US History, Art Foundations, French 3, Physics und
Theology. Außerdem hatten wir eine Stunde Homeroom, eine Stunde
Meeting mit Herrn Kundmüller, dem Leiter unseres Austauschprogramms,
sowie noch eine Std. Lunchbreak. Weitere von uns häufig gewählte
Fächer waren International Economics, World History, Accelerated
Algebra, Acc.
Biology, Biology 2/ Chemistry 2, Religion in America,
Entrepreneurship, Poetry as Power sowie Ceramics.
Was mir sofort auffiel, war die ganz andere Atmosphäre im
Klassenzimmer: Jeder Schüler hatte seinen eigenen Stuhl mit
Schreibplatte, was dann in einzelnen Stunden eine sehr flexible
Sitzordnung ermöglichte, also vom Halbkreis bis zum offenen Viereck
war alles möglich, es gab keine starre Ordnung wie bei uns. In
vielen Klassenzimmern hing die amerikanische Flagge, und die meisten
Räume waren ausgestattet und dekoriert mit Postern, Bildern,
Lerntafeln und allen möglichen Utensilien, die das Zimmer
unverkennbar als z.B. Deutsch- oder Mathe- Klassenzimmer
identifizierten. Denn die Lehrer gingen nicht stundenweise von
Zimmer zu Zimmer, sondern unterrichteten in ‘ihrem’ Zimmer. Dadurch
ergab sich immer eine besondere Lernatmosphäre. Der Unterricht war,
wie bei uns hier in Deutschland auch, geprägt vom individuellen
Unterrichtsstil des Lehrenden, doch Schwätzen unter den Schülern
war äußerst selten vom Lehrer toleriert. Dabei waren die Lehrer
irgendwie lockerer, gingen persönlicher auf die Schüler zu - bei
deutlich weniger Monologen des Lehrers wurden Schüler mehr in den
Unterricht miteinbezogen, z.B. bei Referaten über 45 Min. oder durch
selbständiges Erklären der gerechneten Matheaufgaben. Obwohl es
vielleicht etwas mehr Stillbeschäftigung gab als bei uns, wurde
bisweilen gelacht, viel diskutiert und vor allem auch debattiert,
aber mit großer Selbstdisziplin - „unlike in Germany, where chatting
often goes to the point of destruction“, wie ein Lehrer mit
Deutschlanderfahrung einmal bemerkte. Die Türen der einzelnen
Unterrichtsräume standen die meiste Zeit, also auch während des
Unterrichts, ganz offen ... Dies bedeutete freilich nicht, dass
jeder kommen und gehen konnte, wann er wollte, im Gegenteil -
Pünktlichkeit war eine der Regeln des Schullebens, die eingehalten
wurde.
Die häufig geäußerte Meinung, in Amerika hätten die Schüler
praktisch keine Hausaufgaben, kann ich überhaupt nicht bestätigen.
Viele Schüler hatten, obwohl sie wegen des längeren Schultags - der
Unterricht geht bis 15 Uhr nachmittags - und des langen Schulwegs
oft erst nach 16 Uhr nach Hause kamen, auch noch umfangreiche
Hausaufgaben zu erledigen.
Was uns besonders auffiel - und auch ziemlich beeindruckte -
war die viel selbständigere Arbeitsweise der Schüler. In den
Zwischen- und Freistunden waren sie in der über 300 qm großen
Bibliothek beschäftigt mit Literatursuche, Materialauswertung,
Informationsbeschaffung, Zeitung lesen, Erledigen von schriftlichen
Aufgaben usw.- bei absolutem Silentium in allen Räumen. Die überall
aufgestellten Computer - allein ca. 40 in den Bibliotheksräumen mit
direktem Internet-Zugang - ermöglichten es jedem, nicht nur die
üblichen Aufgaben zu machen, sondern auch auf die Daten der beiden
großen Universitätsbibliotheken in Milwaukee zurückzugreifen bzw.
sich im Internet Informationen zu holen. Es gab sogar ein eigenes
English Writing Lab mit 30 Computerarbeitsplätzen, in dem die
Schüler die vom Lehrer gestellten Aufgaben selbständig bearbeiten
konnten, von Gedichtinterpretationen bis zu kreativem
Aufsatzschreiben. Die Aufgaben waren vorgegeben, wurden individuell
erarbeitet und konnten anschließend auch wieder vom Lehrer
kontrolliert werden.
Sehr positiv einzuschätzen sind die überall reichlich
angebrachten Trinkwasserbecken, die es einem leicht machen, seinen
Durst zu stillen, ohne auf Dosen aus dem Getränkeautomaten
angewiesen zu sein.
N.N.
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