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Wir haben eine neue Idee zum Ingolstädter Glacis


So schließt das Projekt am Jahresende mit einem Artikel aus dem Donaukurier ...
23.12.2007  

Gotteshaus auf Festungsmauern


Manching (DK) Einer der ungewöhnlichsten Sakralbauten der Region wird durch eine Veröffentlichung des Deutschen Kunstverlages in den Blickpunkt gerückt: Die Manchinger Friedenskirche ist eines der markantesten Werke des Architekten Olaf Andreas Gulbransson und wird zudem bald 50 Jahre alt.


Das im kommenden Jahr bevorstehende Kirchenjubiläum war sicher nicht der Anlass der Buchpräsentation; zufällig passt das Werk einer Münchner Studentengruppe aber aus Manchinger Sicht wunderbar in die Zeit: So wird für Architekturfreunde im gesamten Freistaat und womöglich auch noch weit darüber hinaus deutlich, dass die ansonsten eher für Kelten-Oppidum und Militärluftfahrt bekannte Marktgemeinde auch noch ein kulturgeschichtliches Kleinod aus jüngerer Zeit birgt.

Die Broschüre "Olaf Andreas Gulbransson – Kirchenbauten in Bayern" (Deutscher Kunstverlag, 136 Seiten, 12,90 Euro) hat der evangelischen Friedenskirche am Schlossberg schon mit dem Titelbild ein publizistisches Denkmal gesetzt. Im Inneren findet sich ein fünfseitiges Kapitel, das eine Abhandlung zur Entstehungsgeschichte nebst Grundriss und weiteren Ansichten bietet.

Architekturstudenten der Ludwig-Maximilians-Universität und der TU München hatten in einem gemeinsamen Workshop mit den Professoren Robert Stalla und Winfried Nerdinger das Material zu den 16 (durchweg evangelischen) Kirchen in Bayern zusammengetragen, die Gulbransson (1916–1961) in der Nachkriegszeit schuf. Robert Stalla fungiert auch als Herausgeber dieser architekturgeschichtlichen Retrospektive.

Kennern ist die Friedenskirche beim ehemaligen Manchinger Vorwerk der Festung Ingolstadt (Fort VIII) ohnehin ein Begriff. Pfarrer Wenrich Slenczka von der evangelischen Pfarrei Manching beobachtet seit Eröffnung des unweit gelegenen Kelten- und Römermuseums ein gehäuftes touristisches Interesse an dieser Kirche. Etliche auch architekturgeschichtlich vorgebildete Museumsbesucher erkundigen sich immer wieder nach Führungen.

Eine Sonderstellung

Die Friedenskirche hat unter Gulbranssons Werken insofern eine Sonderstellung, als sie sowohl auf den Grundmauern des früheren Vorwerks (genauer gesagt: des einstigen Wachgebäudes) steht als auch Material dieses alten Festungsbauwerks in sich aufgenommen hat. Das Manchinger Vorwerk hatte – obwohl in seiner ursprünglichen Bedeutung als Teil des Festungsgürtels nie geprüft – im Zweiten Weltkrieg traurige lokale Bedeutung erlangt. Es diente seinerzeit als Militärgefängnis und war in dieser Funktion auch letzter Aufenthaltsort einiger zum Tode verurteilter deutscher Deserteure vor ihrer Hinrichtung.

Bei Kriegsende wurde das Festungsrelikt von amerikanischen Soldaten gesprengt. Aus den Trümmern entstand, zumindest was das Bruchsteinmauerwerk der Hauptfassaden angeht, der Gulbransson-Bau, dessen Name "Friedenskirche" vor diesem Hintergrund sehr bewusst gewählt worden ist.

Im kommenden Jahr nun wird dieser markante Kirchenbau mit seinem von Torborgen und offenem Läutwerk geprägten Nordgiebel 50 Jahre alt. Die evangelische Gemeinde wird das ganze Jahr über an das Jubiläum erinnern (erstmals mit einem besonderen Gottesdienst am 6. Januar ab 18 Uhr; großer Festtag wird der 50. Jahrestag der Weihe am 20. Juli sein).

Doch fünf Jahrzehnte nach ihrer Einweihung ist die Friedenskirche für die Pfarrei leider auch zum Sorgenkind geworden. An etlichen Stellen hat der Zahn der Zeit genagt, wie sich bei einem Rundgang mit Hans-Christoph Oelker, Vertrauensmann des Kirchenvorstandes, schnell zeigt.

Insbesondere eindringende Feuchtigkeit hat Probleme heraufbeschworen. Undichte Fensterrahmen und ein womöglich sogar an mehreren Stellen reparaturbedürftiges Dach sind die Hauptangriffspunkte für Wind und Wetter, und auch an den Grenzmauern, die den Linien der früheren Festungswände folgen, ist inzwischen manche marode Stelle erkennbar.

Ein vom Kirchenvorstand beauftragter Architekt hat die Kosten allein für die bislang offensichtlich nötigen Reparaturen auf rund 100 000 Euro geschätzt. Wenn sich bei Öffnung der Dachhaut weitere Schäden zeigen sollten, würde es sicher noch deutlich teurer. Für die 1200 Köpfe zählende Friedenskirchen-Gemeinde stehen also große Ausgaben an, auch wenn sich natürlich die Landeskirche und das evangelische Dekanat Ingolstadt an den Sanierungskosten beteiligen werden.

Dringende Reparaturen

Die dringendsten Reparaturen sollen bereits im Jubiläumsjahr angepackt werden. Die Vorplanungen hierfür laufen parallel zu denen für die zahlreichen Jubiläumsveranstaltungen (der DK wird hierzu noch eine gesonderte Vorschau veröffentlichen). Was Letzteres betrifft, so ist unter anderem an eine Ausstellung mit Fotos, Plänen und anderen Dokumenten geplant, bei der sicher auch der Kirchenbau vor 50 Jahren besonders beleuchtet wird.

Das Schicksal wollte es so, dass die Friedenskirche bereits zu den Spätwerken von Olaf Andreas Gulbransson gehört. Er starb 1961 an Verletzungen, die er bei einem Autounfall auf der A 9 erlitten hatte – ausgerechnet bei einer Fahrt von München nach Manching, wo er Gespräche über Grundstücksfragen in Zusammenhang mit "seiner" Kirche führen wollte.

Wer über Gulbransson forscht und schreibt, kommt übrigens an seinem wohl noch etwas bekannteren Vater kaum vorbei: Olaf Gulbransson (1873–1958), ein aus Norwegen stammender Grafiker, hat insbesondere durch seine einst im "Simplicissimus" veröffentlichten Karikaturen Aufmerksamkeit erregt. Einige seiner Werke, die häufig den deutschen Militarismus zu Kaisers Zeiten auf die Schippe nahmen, finden sich auch im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt. Vater und Sohn fanden ihre letzte Ruhe im Familiengrab in Rottach-Egern am Tegernsee, wo es ebenfalls eine Gulbransson-Kirche gibt.

Von Bernd Heimerl

Blick auf dieses Gelände des ehemaligen Vorwerks und der Friedenskirche

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